Eine kleine Geschichte

Es war einmal ein Dorf, das mit sich und seiner Welt völlig zufrieden war. Es gab alles, was die Menschen brauchten.

Es gab einen Bäcker, der Brot und Brötchen backte. Und weil sie natürlich auf den Brötchen etwas draufhaben wollten, gab es auch einen Metzger, der selbst schlachtete und Fleisch- und Wurstwaren herstellte. Und für den Durst gab es eine Brauerei. Die braute aber nicht nur Bier, sondern füllte auch noch ihr Quellwasser in Flaschen ab.

Viele Menschen aus dem Dorf arbeiteten bei einem der Betriebe und dann gab es noch eine Kindergärtnerin, einen Lehrer, einen Arzt, eine Steuerberaterin und natürlich auch eine Bürgermeisterin.

Alles lief prima, bis eines Tages ein Gerücht die Runde machte. In einem Nachbardorf sollte es einen Investor geben, der Bäckereien, Metzgereien und Brauereien aufkaufte und die Hälfte der Mitarbeiter entließ.

Es war nur ein Gerücht, aber es hielt sich hartnäckig; und die Menschen bekamen Angst. Sie fingen an zu sparen. „Wir kommen auch mit einem Brötchen statt mit zweien aus“, sagten sie sich. „Und statt zwei Scheiben Wurst reicht auch eine. Klar, trinken müssen wir. Aber das Wasser ist billiger als das Bier. Also trinken wir öfter einmal Wasser.“

Dem Bäcker, dem Metzger und der Brauerei fiel das natürlich auf und sie hofften, dass sich das schnell geben würde. Aber als die Menschen weiterhin sparten, kamen die Betriebe nicht umhin, die ersten Mitarbeiter zu entlassen. Es war einfach zu wenig Arbeit da. Das vergrößerte natürlich die Angst der Menschen in unserem Dorf noch und sie sparten noch mehr.

Es kam zu einer Abwärtsspirale und einer schlimmen Rezession. Die Bürgermeisterin versammelte diejenigen aus ihrem Gemeinderat mit dem größten ökonomischen Sachverstand um sich und fragte sie, was man denn tun könne.

Die Löhne müssen sinken, sagten die einen. Wenn Arbeit billiger wird, stellen die Unternehmen wieder mehr Arbeitnehmer ein.

Die Zinsen müssen sinken, sagten die anderen. Dann investieren die Unternehmen wieder mehr.

Die Nachfrage muss wieder steigen, sagten die Unternehmen. Denn was nützen uns billige Arbeitskräfte und niedrige Zinsen, wenn wir mit den billigen Arbeitskräften und den günstig finanzierten Investitionen Waren produzieren, die niemand kauft.

Das ist auf den Punkt gebracht und stark vereinfacht die Art und Weise, wie eine Wirtschaftskrise entstehen kann und worauf es für ihre Beseitigung wirklich ankommt.

Zudem zeigt dieses kleine Beispiel schön den Unterschied zwischen der Modern Monetary Theory (MMT) und der aktuell vorherschenden neoklassischen Volkswirtschaftstheorie. Die MMTler sagen, dass die entscheidende Stellgröße die Nachfrage ist und dass der Staat gegebenenfalls eingreifen muss. Die Neoklassiker sagen dagegen, dass die Märkte automatisch über den Preis ins Gleichgewicht kommen und der Staat sich weitgehend heraushalten soll.

Nur dass Letzteres leider oft nicht funktioniert!

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